In Diskussionen im Freundes- und Bekanntenkreis oder auch in Gesprächen mit Mandanten wird mir immer wieder die Frage gestellt, wie oft Behandlungsfehler tatsächlich passieren. Die ehrliche Antwort lautet: Behandlungsfehler sind keine Seltenheit. Doch was sagt die Behandlungsfehler Statistik Österreich dazu – und lassen sich diese Fälle wirklich in Zahlen fassen?
Österreichische Zahlen
Für Österreich gibt es bis heute kaum Zahlen zur Häufigkeit von Behandlungsfehlern, es gibt keine einheitliche oder flächendeckende Statistik. Nach meiner Einschätzung fehlt in Österreich auch die öffentliche Diskussion. Abgesehen von marktschreierischen Berichten diverser Boulevardmedien, von denen ich gar nichts halte, findet das Thema Behandlungsfehler in der hiesigen Medienlandschaft praktisch nicht statt. Der ORF berichtete im September 2023, dass in Österreich jährlich etwa 1.000 Todesfälle infolge eines Behandlungsfehlers zu beklagen seien.
Allerdings ergibt sich gerade aus den Erhebungen der Patientenvertretungen, die als eigenständige Institutionen der einzelnen Bundesländer in teils etwas unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen tätig sind, dass jährlich mehrere tausend Fälle von vermuteten Behandlungsfehlern bearbeitet werden. In vielen Fällen kommt es nach eingehender medizinrechtlicher Prüfung und Abklärung durch medizinische Sachverständige zu einer Schadenersatzzahlung durch Ärzte oder Krankenanstalten (bzw. durch die jeweils dahinterstehenden Haftpflichtversicherungen).
Diese Statistiken lassen aber keine Hochrechnungen zu. Vermutlich sind die dort erfassten Zahlen aber nur die Spitze des Eisbergs. Viele Betroffene gehen nicht den Weg über die Patientenanwaltschaft, sondern setzen sich gleich mit einem Rechtsanwalt in Verbindung. Wohl noch mehr Menschen gehen einem Bauchgefühl oder einem Verdacht aus Scham, Unwissenheit oder weil sie befürchten ohnehin nichts ausrichten zu können, gar nicht nach.
Internationale Vergleiche
In Deutschland hat der Medizinische Dienst im Jahr 2023 etwa 13.000 Verdachtsfälle untersucht. In etwa 25 % der Fälle wurde eine fehlerhafte Behandlung festgestellt. Nach Schätzungen sterben 17.000 Menschen pro Jahr an einem Behandlungsfehler. In den USA geht eine Schätzung von jährlich etwa 250.000 Toten aufgrund medizinischer Fehler aus. Die WHO sprach im 2023 davon, dass etwa einer von zehn Patienten in der Gesundheitsversorgung einen Schaden erleide.
Dunkelziffer
Ausdrücklich möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass die Statistiken, die über Behandlungsfehler zu finden sind, immer nur einen Ausschnitt wiedergeben. Sie erfassen ja nur gemeldete und überprüfte Fälle. Viele Betroffene bemerken wahrscheinlich gar nicht, dass etwas schiefgelaufen ist. Umgekehrt muss natürlich auch beachtet werden, dass nicht alle Komplikationen automatisch Behandlungsfehler darstellen. Medizinisch Eingriffe sind immer mit Risiken verbunden. Sicher bin ich mir auch, dass die allermeisten Behandlungen ohne ärztliches Fehlverhalten vonstattengehen und für die Patienten wertvoll sind.
Was bedeutet das für Betroffene?
Die medizinische Versorgung funktioniert – meistens sogar bestens. Behandlungsfehler sollten aber kein Tabuthema sein. Behandlungsfehler passieren wohl auch öfter, als man vermutet. Umso wichtiger ist es, sich nicht mit irgendwelchen wagen Erklärungen der Behandlungsseite zufrieden zu geben. Wer den Verdacht hat, durch eine falsche Behandlung geschädigt worden zu sein, ist keineswegs ein Einzelfall. Die Frage, ob eine Komplikation tatsächlich schicksalhaft war oder auf einen haftungsrechtlich relevanten Behandlungsfehler zurückzuführen ist, kann letztlich nur durch eine detaillierte medizinrechtliche beantwortet werden. Wer glaubt, von einem Fehler betroffen zu sein, sollte sich nicht scheuen, den Weg zur Patientenanwaltschaft oder zu einem spezialisierten Rechtsanwalt zu gehen.
Patrick Beichl
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