Benzodiazepine-Vergiftung eines Neugeborenen

Benzodiazepine-Vergiftung eines Neugeborenen

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Benzodiazepin-Vergiftung eines Neugeborenen

Im Sommer vor ein paar Jahren kam ein stark und kräftig schreiendes Neugeborenes mit gutem Spannungszustand der Muskeln in einem Krankenhaus in Vorarlberg per geplanter Sectio zur Welt. Ab der zweiten Lebensstunde war das Neugeborene ruhig, es schrie kaum mehr und war auffallend schlapp. Das Baby musste beatmet werden, der Allgemeinzustand war erkennbar herabgesetzt.

Dieser Zustand änderte sich auch am Folgetag nicht. Das Baby war tonusarm, muskulär hypoton und zeigte außergewöhnlich wenig Spontanreaktion auf Impulse. Die Spontanmotorik war minimal, die Greifreflexe waren nur in geringem Umfang auslösbar. Das Kind schrie nicht mehr, die Augen wurden spontan nicht geöffnet.

Es erfolgte der Transfer in eine andere Krankenanstalt, wo eine Kinderintensivstation vorhanden war. Im Urin des Neugeborenen, der unmittelbar nach der Geburt gewonnen wurde, stellten die Ärzte auf der Kinderintensivstation Benzodiazepine, also ein starkes Beruhigungsmittel, fest. Aus der ärztlichen Dokumentation der Krankenanstalt, wo das Baby zur Welt kam, ergab sich eine Benzodiazepine-Verabreichung nicht. Sicherheitshalber wurde neuerlich eine Urinprobe abgenommen, welche das außergewöhnliche Ergebnis bestätigte. Festgestellt wurde außerdem, dass das Neugeborene die Benzodiazepine nicht über die Mutter erhalten haben konnte. Monatelang litt das Neugeborene an den Folgen der Benzodiazepine-Verabreichung. Dieser Umstand und die Ungewissheit, wie sich der Zustand des Babys künftig entwickeln wird, war für die Eltern schwer zu ertragen.

Für das Baby und die Eltern habe ich Schadenersatzansprüche am Landesgericht Feldkirch gerichtlich geltend gemacht. Im Verfahren wurde ein medizinischer Sachverständiger mit der Erstattung von Befund und Gutachten beauftragt. Dieser konnte zweifelsfrei feststellen, dass das Baby die Beruhigungsmittel unmittelbar nach der Geburt vom medizinischen Personal erhalten hat. Eine Indikation für die Gabe dieser Benzodiazepine bestand nicht. Erschwerend kam hinzu, dass die Beruhigungsmittel in einer hochtoxischen Konzentration verabreicht wurden. Der Sachverständige konnte den schlechten Gesundheitszustand des Babys ohne Frage auf die Benzodiazepine zurückführen.

Bis heute wissen wir nicht, wer vom Behandlungspersonal konkret für die rechtswidrige Verabreichung des Beruhigungsmittels verantwortlich war. Vermutlich verrichtet diese Person nach wie vor ihre Tätigkeit in der Krankenanstalt. Bis heute hat die Krankenanstalt sich für das rechtswidrige Verhalten einer ihrer Mitarbeiter nicht entschuldigt. Immerhin hat das Spital vergleichsweise Schadenersatzzahlungen an das Kind und deren Eltern geleistet.

Das Verfahren ist allerdings noch nicht gänzlich abgeschlossen. Es wird im Herbst 2025 eine neuerliche Begutachtung durch den Sachverständigen stattfinden. Es geht dabei um die Beantwortung der Frage, ob Spät- und/oder Dauerfolgen in der Zukunft auftreten können. 

Dem Kind geht es glücklicherweise wieder sehr gut. Wir alle hoffen, dass das in der Zukunft so bleiben wird.

Patrick Beichl


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