Rund um das Thema Behandlungsfehler kursieren viele Mythen. Dies führt oftmals dazu, dass Betroffene mögliche Ansprüche gar nicht erst verfolgen – aus Angst, ohnehin keine Chancen zu haben. Fünf der häufigsten Irrtümer sind folgende:
„Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.“
Ja, gerade unter Ärzten gibt es einen ausgeprägten Kollegialitätsgedanken, wie ich immer wieder feststelle. Aber vor Gericht zählen nicht persönliche Freundschaften, sondern objektive Gutachten. Zugegebenermaßen gibt es auch unter den Sachverständigen solche, die im Zweifel eher auf der Seite ihrer Berufskollegen stehen. Ich habe in meiner Karriere aber schon jede Menge Sachverständige kennengelernt, die völlig objektiv und rein sachlich agieren. Diese Sachverständigen zögern nicht, ein allfälliges ärztliches Fehlverhalten klar zu benennen.
„Ich kann doch keinen Fehler beweisen.“
Richtig ist, dass geschädigte Patienten in einem Arzthaftungsprozess grundsätzlich für alles Mögliche behauptungs- und beweispflichtig sind. Allerdings gibt es in diesen Verfahren einige Besonderheiten, die dazu führen können, dass Unklarheiten zu Lasten der Ärzteschaft gehen. Sie zu kennen, ist für Rechtsanwälte essentiell. Weitere wesentliche Faktoren für eine erfolgreiche Prozessführung sind detaillierte Kenntnisse des jeweiligen Aktes sowie ausreichende Erfahrung mit diesem sehr besonderen Rechtsgebiet.
„Ich habe das vor der Operation ja unterschrieben.“
In aller Regel werden Patienten vor einer medizinischen Behandlung über Risiken oder Gefahren informiert. Im Rahmen dieses Aufklärungsgesprächs werden Patienten zumeist auch gebeten, bestimmte Einwilligungserklärungen oder Aufklärungsbögen zu unterschreiben. Mit der Unterschrift nimmt der Patient zur Kenntnis, dass Risiken bestehen, die sich bei einer sorgfältigen Behandlung verwirklichen können. Der Patient kann mit seiner Unterschrift jedoch niemals in einen Fehler einwilligen. Ist ein Schaden also auf ein ärztliches Fehlverhalten zurückzuführen, ist der Arzt durch die Unterschrift des Patienten nicht entschuldigt.
„Ein Verfahren dauert ewig und bringt nichts.“
Ja, Gerichtsverfahren im Medizinrecht sind grundsätzlich komplex. Viele Prozesse sind aber nach etwa anderthalb Jahren abgeschlossen. Verfahren, die vier, fünf oder noch mehr Jahre dauern, kommen vor, sind aber die Ausnahme. Außerdem kommt es immer wieder vor, dass Arzthaftungsfälle gar nicht vor einem Gericht landen, sondern im Rahmen eines außergerichtlichen Verfahrens gütlich erledigt werden können.
„Es ist ohnehin schon zu spät, da kann man nichts mehr machen.“
Ein weit verbreitetes Missverständnis betrifft die Verjährung. Viele haben davon gehört, dass Schadenersatzansprüche der kurzen, dreijährigen Verjährungsfrist unterliegen. Entgegen einer landläufigen Meinung beginnt der Lauf der Verjährung in aller Regel aber nicht schon mit dem Tag der Operation (die den vermeintlichen Schaden verursacht hat). Vielmehr muss der Patient wissen und verstehen, dass sich ein Kunstfehler ereignet hat oder ereignet haben könnte. Außerdem muss das Verhalten des Schädigers mit dem Schaden in einen Ursachenzusammenhang gebracht werden. Deshalb lohnt es sich – mitunter auch Jahre nach einer Behandlung – juristischen Rat einzuholen. Dennoch gilt: Je ehr man sich informiert, desto besser ist es.
Ich räume ein, dass die erwähnten Mythen nicht grundsätzlich falsch sind. Es kommt vor, dass Sachverständige Berufskollegen schützen, ein Fehler nicht nachgewiesen werden kann, sich durch die Behandlung ein von einer rechtmäßigen Aufklärung gedeckten typisches Risiko verwirklicht, ein Verfahren viel zu lange dauert oder Ansprüche verjährt sind. Solange solche Vorgänge aber die Ausnahme bilden, werde ich nicht aufhören, für die Rechte meiner Mandanten einzustehen.
Patrick Beichl
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