Fünf Tipps bei Verdacht auf Behandlungsfehler - Patrick Beichl | Medizinrecht-Blog

Fünf Tipps bei Verdacht auf Behandlungsfehler

Wer von einem Behandlungsfehler betroffen ist oder diesen vermutet, steht oft vor vielen offenen Fragen – gesundheitlich und rechtlich. Das Gefühl, alleine gelassen zu werden, ist keine Seltenheit. Hier gibt es klare Handlungsempfehlungen, die als Patient beachtet werden sollten.

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Fünf Tipps vom Anwalt bei Behandlungsfehler

Regelmäßig melden sich Menschen bei mir und erzählen etwa, dass sie seit einem ärztlichen Eingriff diese oder jene Probleme hätten. Sie vermuten, dass diese Beschwerden auf die Behandlung zurückzuführen seien. Weil sie nicht wüssten, was denn jetzt sinnvollerweise zu tun wäre, würden sie sich über meinen Rat freuen. Vollkommen richtig. Informationen einholen und nach Hilfe Ausschau halten. Das ist der erste wichtige Schritt. Viele Menschen, die einen von einem Behandlungsfehler betroffen sind (oder eben eine Vermutung in diese Richtung haben), haben mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen zu kämpfen. Dazu kommt, dass sie sich alleine gelassen oder unverstanden fühlen.

Es treten viele Fragen auf, die meisten bleiben unbeantwortet. Dabei kümmere ich mich ausdrücklich nicht um Menschen, die sowieso immer und überall ein Haar in der Suppe finden. Es mag möglicherweise enttäuschend sein, wenn es in einem Spital (scheinbar) unerklärlich lange Wartezeiten gibt, man vom Personal unfreundlich behandelt wird oder das Essen nicht schmeckt. Für derartige (Schein-)Probleme ist meine Kanzlei allerdings nicht die richtige Anlaufstelle. Wenn man sich als Geschädigter nicht einfach seinem Schicksal hingeben möchte, gibt es durchaus einige Handlungsempfehlungen, die Sie als Patient im Auge haben sollten.

1. Tipp bei Verdacht auf Behandlungsfehler: Mit dem Arzt sprechen

In aller erster Linie sollten Sie daran denken, das Gespräch mit dem behandelnden Arzt zu suchen. Unter Umständen klären sich allfällige Befürchtungen in Richtung eines Behandlungsfehlers. Das wird etwa dann der Fall sein, wenn sich der Arzt die Zeit nimmt und plausibel erklären kann, warum der eingetretene Schaden nicht auf einen Fehler zurückzuführen ist.

In diesem Zusammenhang würde ich mir aber übrigens erwarten, dass der behandelnde Arzt aktiv wird, auf den Patienten zugeht und das Gespräch sucht, falls eine Komplikation eingetreten ist. Ich hätte das Gefühl, dass mir etwas verschwiegen werden würde, falls ein unmittelbar postoperativ aufgetretenes Problem vom Arzt nicht widerspruchsfrei erklärt werden kann oder wenigstens angesprochen wird. Falls das Gespräch nicht den gewünschten Verlauf nimmt, lohnt es sich umso mehr, die Ohren zu spitzen: Unter Umständen könnten Sie im Rahmen eines solchen Gesprächs wichtige Informationen für möglicherweise nachfolgende rechtliche Schritte erlangen.

Es ist erlaubt, kritisch zu sein! Hinterfragen Sie das ärztliche Handeln und die ärztlichen Entscheidungen. War die gestellte Diagnose wirklich richtig? War die Operation oder die gewählte Therapiemaßnahme tatsächlich indiziert? Weisen Sie auf die konkrete Beschwerdesymptomatik seit der Behandlung hin und fragen Sie nach, wieso der eingeschlagene Behandlungsweg offensichtlich nicht geholfen hat. Fragen Sie nach, welche Therapieoptionen noch bestehen. Achten Sie auch darauf, dass die Antworten des Arztes verständlich sind. Weiters rate ich, eine Vertrauensperson zu diesem Gespräch mitzunehmen. Es bietet sich auch an, sich während des Gesprächs Notizen zu machen oder unmittelbar im Anschluss ein Gesprächsprotokoll zu erstellen.

2. Tipp bei Verdacht auf Behandlungsfehler: Erstellen eines Gedächtnisprotokolls

Mit der Zeit schwinden die Erinnerungen. Deshalb ist es von zentraler Bedeutung, ein umfassendes Gedächtnisprotokoll zu erstellen, in dem die Behandlung detailreich beschrieben wird. Notieren Sie sich etwa, wann welche Beschwerden erstmals aufgetreten sind, wann Sie aufgrund welcher Probleme erstmals beim Arzt/im Krankenhaus vorstellig wurden und wie sich die Beschwerdesymptomatik im Laufe der Zeit entwickelt hat. Was haben Sie welchem Arzt und bei welcher Gelegenheit erzählt?

Schreiben Sie – wenn auch nur stichwortartig – auf, welche Aussagen Ärzte zu wesentlichen Themen getroffen haben. Ich denke da etwa an Diagnose, Behandlungsbedürftigkeit, den Verlauf im Falle der unterlassenen Behandlung, den Ablauf der Behandlung, etwaige Therapieoptionen, mögliche Erfolgsaussichten oder allgemeine oder besondere Risiken. Gibt es für Gespräche möglicherweise Zeugen, hat Sie zum Beispiel jemand zu diesen Terminen begleitet? Notieren Sie sich auch, wann welche Behandlungen durchgeführt oder welche Therapien verordnet wurden. Fragen Sie sich in diesem Zusammenhang weiters, ob und gegebenenfalls welche Auswirkungen diese Maßnahmen auf Ihren Gesundheitszustand hatten. Von besonderem Interesse ist der Inhalt (und die Dauer) des Aufklärungsgespräches.

Patienten müssen umfassend über die allgemeinen und OP-spezifischen Risiko informiert werden. Allerdings muss der Patient auch über Behandlungsalternativen aufgeklärt werden. Regelmäßig stellt sich im Zuge eines Verfahrens heraus, dass statt einer vorgenommenen Operation ein konservativer Behandlungsweg eingeschlagen hätten werden können. Wenn das der Fall ist, muss dem Patienten genau erklärt werden, worin die Unterschiede dieser beiden möglichen Optionen besteht, vor allem in Bezug auf Erfolgsaussichten, Risiken, Schmerzbelastung sowie generellen Vor- und Nachteilen.

Halten Sie zudem fest, wie letztlich die ärztliche Empfehlung – und aus welchem Grund – lautete. Falls es Zeugen gibt, wäre das gut zu wissen. Wichtig ist auch, dass Sie sämtliche Ausgaben und sonstigen Aufwände im Zusammenhang mit dem (vermuteten) Behandlungsfehler zusammenschreiben. Behalten Sie also alle Rechnungen für Heilbehelfe, Ärzte oder Therapeuten auf, notieren Sie sich die jeweils notwendigen Fahrten und achten Sie auch auf einen möglichen Verdienstentgang im Falle einer längeren Arbeitsunfähigkeit nach einem ärztlichen Fehler.

Ich empfehle weiters ein Schmerztagebuch zu führen. Schreiben Sie sich auf, wo es weh tut, wie stark der Schmerz ist (beispielsweise auf einer Skala von 1 bis 10), wie sich die Beschwerdesymptomatik entwickelt und ob dies gegebenenfalls auch zu Einschränkungen im Alltag führt.

3. Tipp bei Verdacht auf Behandlungsfehler: Zweitmeinung einholen

Falls das Gespräch mit dem Arzt nicht wie erhofft verläuft, nach wie vor Unsicherheiten etwa in Bezug auf die mögliche weitere Behandlung bestehen, Sie nicht ernst genommen oder Ihre Fragen nicht beantwortet werden, sollte man darüber nachdenken, eine zweite Meinung von einem medizinischen Spezialisten einzuholen.

Dabei erscheint mir wichtig, sich vorab möglichst viele Erkundigungen zur Person des Arztes, den Sie für diese Zweitmeinung konsultieren möchten, einzuholen. Ein Gespräch mit einem Experten kann Klarheit bringen und weitere Behandlungsmöglichkeiten aufzeigen. Das Wichtigste ist und bleibt Ihre Gesundheit. Der Fokus sollte deshalb zunächst jedenfalls auf die medizinische Komponente und Ihre Genesung gelegt werden. Eine mögliche rechtliche Aufarbeitung sollte nicht an erster Stelle stehen und kann durchaus etwas warten.

4. Tipp bei Verdacht auf Behandlungsfehler: Anfordern einer vollständigen Kopie aller Behandlungsunterlagen

Zentraler Anknüpfungspunkt für die Prüfung der Frage, ob eine Behandlung fehlerhaft oder die Aufklärung mangelhaft durchgeführt worden sein könnte, ist die ärztliche Dokumentation in der Krankengeschichte des jeweiligen Patienten. Patienten haben ein mehrfach in der Rechtsordnung verbrieftes Recht auf Einsicht bzw. Übermittlung der Krankengeschichte. Seit einer aktuellen Entscheidung des OGH (6 Ob 233/23t) steht übrigens auch fest, dass Patienten (aus datenschutzrechtlichen Überlegungen) einen Anspruch auf eine kostenlose erste Kopie der Krankengeschichte haben. [1] Es ist nicht ausreichend, wenn die Krankengeschichte nur auszugsweise vorliegt.

Mir fällt auf, dass den Patienten über entsprechende Bitte meist nur der Abschlussbericht übermittelt wird, obwohl natürlich die Patienten auch ohne anwaltliche Intervention ein Recht auf eine vollständige Abschrift der Krankengeschichte inklusive der Bildgebung und der Aufklärungsdokumente haben. Wichtig sind übrigens auch die Behandlungsunterlagen der vor- und nachbehandelnden Ärzte und Krankenanstalten. Aus der Vorbehandlung kann etwa abgeleitet werden, ob konservative Maßnahmen bereits versucht wurden oder ausgeschöpft sind, während anhand einer nachfolgenden Behandlung des Patienten erkennbar ist, welche konkreten Schäden tatsächlich eingetreten sind.

5. Tipp bei Verdacht auf Behandlungsfehler: Professionelle Beratung

Legen Sie Wert darauf, sich fundiert und kompetent beraten zu lassen. Setzen Sie sich mit einem Rechtsanwalt in Verbindung, der im besten Fall breite Erfahrungen im Bereich des Medizinrechts hat. Sie werden im Gespräch mit dem Anwalt bald herausfinden, ob eine entsprechende Expertise besteht und ob es auch menschlich passt.

Es ist wichtig, dass die Sachlage anhand der gesamten Krankengeschichte im Detail besprochen wird. Nur so kann festgestellt werden, ob wirklich eine Möglichkeit besteht, die Ansprüche erfolgreich durchzusetzen. Unter Umständen ist es sinnvoll, außergerichtlich ein medizinisches Gutachten erstellen zu lassen.

Bevor der Gerichtsweg beschritten wird, sollte der Sachverhalt und die möglichen Chancen jedenfalls fundiert geprüft werden. Von irgendwelchen Schnellschüssen hat der geschädigte Patient nichts. Von großem Vorteil ist in diesem Zusammenhang das Bestehen einer Rechtsschutzversicherung (mit dem richtigen Baustein und mit ausreichender Versicherungssumme).

Sehr gute (und kostenlose) Unterstützung erhalten geschädigte Patienten auch bei der Patientenanwaltschaft. Das ist eine eigenständige Institution, die es in jedem Bundesland gibt. Dort wird im Fall eines vermuteten Behandlungsfehler versucht, mit dem behandelnden Arzt oder der involvierten Krankenastalt außergerichtlich eine Lösung zu finden. Nachdem ich immer wieder Anrufe von Menschen bekomme, die der Ansicht sind, ich sei der Patientenwalt, widme ich diesem Thema einen eigenen Beitrag.

Patrick Beichl


Quellen:

[1] https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/patientinnen-haben-einen-datenschutzrechtlichen-anspruch-auf-kostenlose-kopie-der-gesamten-krankengeschichte/

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