Operation ohne Notwendigkeit – warum fehlende Aufklärung zur Haftung führte - Patrick Beichl | Medizinrecht-Blog

Operation ohne Notwendigkeit – warum fehlende Aufklärung zur Haftung führte

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Operation ohne Notwendigkeit

Bei meiner Mandantin kam es in einem Spital in Vorarlberg zu gravierenden Komplikationen im Rahmen einer Operation aufgrund einer Endometriose-Erkrankung. Deshalb mussten mehrfache Folgeoperationen durchgeführt werden. Die Funktionsstörung des Harntraktes konnte allerdings nicht verhindert werden, sodass meine Mandantin ihr Leben lang auf eine Selbstkatheterisierung angewiesen sein wird. Aufgrund der dramatischen Folgen der Operation musste bei meiner Mandantin auch ein künstlicher Darmausgang angelegt werden. Eine Stoma Rückverlegung kommt leider auch in der Zukunft nicht infrage. Diese körperlichen Auswirkungen waren verständlicherweise auch psychisch enorm herausfordernd. Doch war es wirklich eine notwendige OP – oder eine Operation ohne Notwendigkeit?

Jahrelanges Gerichtsverfahren

Wir haben aufgrund der massiven Folgen der Operation eine Klage beim Landesgericht Feldkirch eingebracht, weil wir Fehler bei der ärztlichen Behandlung vermuteten. Im Laufe des Prozesses hat sich zunächst zwar herausgestellt, dass die Operation fehlerfrei durchgeführt wurde und sich bei meiner Mandantin schicksalhaft schwere Komplikationen entwickelt haben.

Allerdings konnten wir im Gerichtsverfahren beweisen, dass die Aufklärung vor der Operation mangelhaft war. Die chirurgische, also operative Herangehensweise war nicht der einzige Behandlungsweg. Es wäre im konkreten Fall auch möglich gewesen, die Endometriose-Erkrankung medikamentös, also konservativ zu behandeln. Nach den Ausführungen der im Prozess beigezogenen Sachverständigen wäre die konservative Therapie im konkreten Fall eine medizinisch gleichwertige Alternative gewesen.

Ansicht des OGH ist klar

Stehen für den konkreten Behandlungsfall mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden zur Verfügung, die ‑ im Sinn einer echten Wahlmöglichkeit ‑ gleichwertig sind, aber unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen haben, so ist über die zur Wahl stehenden diagnostischen oder therapeutischen adäquaten Alternativverfahren zu informieren und das Für und Wider (Vorteile und Nachteile: verschiedene Risiken, verschieden starke Intensitäten der Eingriffe, differierende Folgen, Schmerzbelastungen und unterschiedliche Erfolgsaussichten) mit dem Patienten abzuwägen (etwa 8 Ob 27/17d, RIS-Justiz RS0026426).

Also: Gibt es unterschiedliche Behandlungswege, die gleichwertig sind, muss der Patient das wissen. Dann ist es notwendig, den Patienten über die unterschiedlichen Methoden zu informieren und (im Detail) aufzuklären. Unterlässt die Behandlungsseite das, ist von einer mangelhaften Aufklärung auszugehen. In rechtlicher Hinsicht ist die Operation als rechtswidrig zu qualifizieren – auch wenn sie technisch ansonsten fehlerfrei durchgeführt wurde. 

Relevanter Aufklärungsfehler

Meine Mandantin konnte das Gericht überzeugen, dass sie sich bei einer mangelfreien, vollständigen Aufklärung für den konservativen Weg entschieden hätte. Nach Ansicht der medizinischen Sachverständigen wären die Erfolgsaussichten bei der medikamentösen Therapie hinsichtlich der Beschwerden sehr gut gewesen, außerdem hätten quasi keine Risiken bestanden – im Gegensatz zur durchaus risikobehafteten Operation.

Außergewöhnlich hohe Vergleichszahlung

Nachdem das Gericht die Haftung der beklagten Krankenanstalt dem Grunde nach festgestellt hat, haben außergerichtlich recht komplizierte, langwierige Vergleichsverhandlungen stattgefunden. Letztlich waren diese Verhandlungen erfolgreich, der Prozess konnte durch eine Zahlung der Gegenseite vergleichsweise beendet werden.

Fazit: rechtlicher Ausgleich – aber kein Trost

Medizinische Behandlungsfehler hinterlassen oft mehr als nur körperliche Spuren. Sie bringen Unsicherheit, Schmerz und nicht selten einen tiefen Vertrauensverlust mit sich. Wer sich rechtlich zur Wehr setzt, tut das nicht aus Kalkül – sondern aus Notwendigkeit.

Auch meine Mandantin hat in ihrem Fall Schadenersatz erhalten. Wie viele andere hätte sie auf das Geld jederzeit verzichtet – wenn sie dafür gesund geblieben wäre.

In Arzthaftungsfällen geht es nicht um Bereicherung, sondern um Anerkennung des erlittenen Unrechts und um ein Mindestmaß an Gerechtigkeit. Geld kann keine Gesundheit zurückbringen – aber es kann zumindest ein Zeichen setzen, dass Verantwortung übernommen wird.