Patientenrechte als Leidenschaft - Patrick Beichl | Medizinrecht-Blog

Patientenrechte als Leidenschaft

Verfasst von:

Patrick Beichl Medizinrecht

Patientenrechte und meine persönliche Geschichte: Die Verbindung Medizin und Recht fasziniert mich. Das war nicht immer so. Nie wäre mir als Schüler in den Sinn gekommen, Medizin zu studieren und Arzt zu werden. Um ehrlich zu sein, war lange auch nicht mein Ziel, Rechtsanwalt zu werden. Das hat sich erst nach dem Jus-Studium an der Universität in Innsbruck in diese Richtung entwickelt. Im Zuge meiner Ausbildung zum Rechtsanwalt gab es erste Berührungspunkte mit Arzthaftungsprozessen, wobei ich damals regelmäßig auch noch Ärzte bzw. dahinterstehende Haftpflichtversicherungen vertreten habe.

Durch ein zufälliges Gespräch mit einem gegnerischen Anwalt vor einem Gerichtstermin erfuhr ich vom Universitätslehrgang Medizinrecht. Kurzerhand entschloss ich mich, diese 2-jährige Ausbildung an der Uni in Innsbruck zu absolvieren. Danke auch nochmals an meine damaligen Chefs, bei denen ich mit meinem Wunsch auf Weiterbildung auf offene Ohren gestoßen bin!

Heute kann ich sagen, dass ich mit der Vertretung von Patienten gegen Ärzte und Krankenhäuser meine Passion gefunden habe. Als Rechtsanwalt bin ich alles andere als ein Generalist. Vielmehr bearbeite ich nur Fälle, die direkt mein Spezialgebiet betreffen oder es damit zumindest gewisse Überschneidungen gibt. Ich bilde mir ein, dass ich mit diesem Fokus Menschen, die durch Behandlungen geschädigt wurden, am besten helfen kann. Frei nach dem Motto: Man kann sich nicht zu stark spezialisieren. Die Ansicht einiger Rechtsanwälte, wonach ein Arzthaftungsprozess unter dem Strich auch nur gewöhnliches Schadenersatzrecht darstellen würden und deshalb nichts Besonderes sei, teile ich im Übrigen nicht. Zu dieser Auffassung kann man meines Erachtens nur dann gelangen, wenn man bloß sporadisch mit der Materie befasst ist, sich oberflächlich mit den rechtlichen Besonderheiten auseinandersetzt oder bei der Aktenbearbeitung die medizinische Komponente mehr oder weniger ausklammert.

Vertrauen durch Leidenschaft

Die Vertretung von Patienten in Arzthaftungsprozessen ist harte Arbeit, die in aller Regel mit dem intensiven Studium der gesamten Krankengeschichte beginnt. Dieser Schritt ist essentiell, um einerseits die Chronologie der Behandlung und andererseits auch den Standpunkt der Ärzte zu verstehen. Nicht selten übersteigt der Umfang von Behandlungsunterlagen einer Causa die Fülllinie einer SodaStream-Flasche.

Sodastream Beichl

Aufklärungsdokumente, Ambulanzberichte oder OP-Befunde sind dabei zentrale Elemente einer Krankengeschichte. Wichtige Informationen finden sich beispielsweise aber oftmals auch in bildgebenden Befunden, in Fieberkurven und Laborbefunden oder in der Dokumentation der Stationspflege, der Anästhesie sowie des OP-Pflegeteams und natürlich auch in den Aufzeichnungen von nachbehandelnden Ärzten.

Je genauer man sich mit der Krankengeschichte auseinandersetzt, desto erstaunlicher sind die Rechercheergebnisse. Weil ich kein Mediziner bin, kann ich die (Un-)Richtigkeit der durchgeführten ärztlichen Behandlung meist nicht ohne Weiteres beurteilen. Parallel zum Aktenstudium ist es für mich deshalb zwingend notwendig, medizinische Literatur zu durchforsten, um allfällige Unstimmigkeiten im Behandlungsablauf feststellen zu können. Erfahrungen aus dutzenden Arzthaftungsprozessen oder Erkenntnisse aus Gesprächen mit mir bekannten Medizinern sind dabei sehr hilfreich. Liegen im Vorfeld bereits medizinische Gutachten vor, erleichtert das meine Arbeit zudem.

Die Mühe lohnt sich. Die Chancen, einen Gerichtsprozess erfolgreich zu gestalten, erhöhen sich durch medizinisches Interesse und Verständnis sowie einer möglichst genauen (und dadurch zeitintensiven) medizinischen Recherche. Bilde ich mir deshalb ein, mit einem erfahrenen Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie auf Augenhöhe über die Notwendigkeit und Indikation eines Kniescheibenrückflächenersatzes zu diskutieren? Nein. Natürlich nicht. In aller Regel gelingt es Ärzten aber nicht (mehr), mir völlig überteuert einen Hund für einen Affen zu verkaufen.

Weil es in meinen Akten nicht um Lappalien wie eine zerkratzte Kennzeichenhalterung geht, sondern oft genug um schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen, die das ganze Leben auf den Kopf stellen, ist mir eine solide Vertrauensbasis zwischen meinen Mandanten und mir besonders wichtig. Meistens wissen meine Mandanten meine Arbeit auch zu schätzen – und zwar unabhängig vom Prozessausgang. Rückmeldungen, wie die folgende, freuen mich daher enorm:

Danke, du hast hervorragende Arbeit geleistet. Schon beim ersten persönlichen Termin habe ich mich bei dir sofort wohl und gut aufgehoben gefühlt. Vertrauen ist mir sehr wichtig, das hatte ich bei dir in der 1. Sekunde.

Wolfgang aus Altach

Beweisprobleme, wohin das Auge reicht?!

Strengt man einen Prozess gegen einen Arzt oder ein Krankenhaus an, stellt man sehr schnell fest, dass die Ausgangsposition durchaus kompliziert ist. Außer es wurde der rechte Fuß amputiert, obwohl das große rote X auf dem linken Unterschenkel ein eindeutiger Hinweis für „Diesen Fuß abnehmen!“ hätte sein sollen. Kompliziert deshalb, weil die klagende Partei in Arzthaftungsangelegenheiten von Beginn an grundsätzlich für alles Mögliche beweispflichtig ist. Das ist in Zivilprozessen nun mal so und deshalb noch kein großartiges Alleinstellungsmerkmal.

Große Bedeutung haben die von der Lehre und Rechtsprechung entwickelten eigenen, von der den allgemeinen Grundsätzen im Schadenersatzrecht zum Teil abweichende Beweisregeln. Diese sollen den besonderen Beweisschwierigkeiten im Arzthaftungsprozess Rechnung tragen – sie zu kennen und anwenden zu können, ist Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Arzthaftungsprozess.

Sachverständige als Zünglein an der Waage

Wie generell in Zivilverfahren üblich, muss sich das Gericht auch in Arzthaftungsfällen auf Sachverständige aus den unterschiedlichsten medizinischen Disziplinen verlassen. Diese beigezogenen Experten sind gehalten, den medizinischen Sachverhalt zu prüfen und zu beurteilen, ob die Behandlung dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprochen hat oder unter dem Behandlungsstandard zurückgeblieben ist.

Dabei müssen sie sich bei der Beurteilung der Behandlungsmaßnahmen auf die Einträge in der Krankengeschichte verlassen. Sehr oft stellt diese Dokumentation der Behandlungsmaßnahmen und -abläufe das einzige Beweismittel für ärztliche Sorgfaltspflichtverletzungen dar. Und es ist naturgemäß nicht der Patient, der diese Einträge verfasst, sondern obliegt die Dokumentation den behandelnden Ärzten (bzw. allgemein dem medizinischen Personal).

Oftmals haben geschädigte Patienten in Prozessen gegen Ärzte oder Krankenhäusern die Sorge, dass beigezogene Sachverständige keine Fehler der behandelnden Ärzte aufzeigen würden und es deshalb schier unmöglich sei, einen Prozess erfolgreich zu gestalten. Gerade dann, wenn eingeholte Gutachten den Standpunkt der klagenden Partei nicht stützen, fühlen sich Patienten in ihrer Meinung bestätigt, wonach eine Krähe der anderen kein Auge aushake. Dabei vergessen sie darauf, dass ein Behandlungserfolg auch bei bester Therapie nicht garantiert werden kann. Gleichzeitig stellt ein unerwünschtes Behandlungsergebnis oder gar eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes nach einer ärztlichen Behandlung nicht automatisch ein Behandlungsfehler dar.

Wer wirklich hinschaut, macht den Unterschied

Sachverständige, die tendenziell zu ihren Berufskollegen halten und das Gutachten dementsprechend formulieren, gibt es. Sie sind nach meiner Erfahrung glücklicherweise aber in der Unterzahl. Ich könnte leicht auch ein paar Namen nennen. Viel wichtiger ist aber, dass ich mich nach Kräften dafür einsetze, dass diese Personen in den von mir zu verantwortenden Verfahren von den zuständigen Richtern nicht beauftragt werden, ein Gutachten zu erstatten.

In meiner Laufbahn habe ich viele Sachverständige kennengelernt, die einen Behandlungsfehler ohne mit der Wimper zu zucken auch so benennen und nicht vor Kritik an Berufskollegen zurückschrecken. Ganz generell möchte ich festhalten, dass die überwiegende Anzahl medizinsicher Behandlungen nicht zu beanstanden ist, weil sie – trotz unter Umständen aufgetretener Komplikationen – fehlerfrei durchgeführt wurden. In aller Regel liegt es also nicht an der Person des Sachverständigen, dass ein Gutachten negativ für den Patienten ausfällt und die Richtigkeit der Behandlung attestiert.

Unterentwickelte Fehlerkultur

Nach meiner Überzeugung sind Arzthaftungsprozesse aber vor allem deshalb kompliziert, weil eine ungesunde, unbefriedigende und ungenügende Fehlerkultur im Gesundheitssystem vorherrscht. Dieser Systemfehler mündet darin, dass Ärzte sich scheuen, Fehler einzugestehen. Es wird ärztlicherseits schlicht nicht darüber gesprochen. Mit dem Patienten schon gar nicht. Ein ehrlicher öffentlicher Diskurs fehlt.

Ich erlebe außerdem, dass die ärztliche Dokumentation immer wieder unvollständig oder um kleinere oder größere Schnitzer bereinigt, gewissermaßen also beschönigt ausfällt. Es leuchtet ein, dass eine unrichtige ärztliche Dokumentation nicht dazu geeignet ist, den tatsächlichen medizinischen Sachverhalt wiederzugeben.

Wenn Dokumentation zur Hürde wird

Damit wird eine nachträgliche Beurteilung der durchgeführten Behandlung durch Sachverständige aber deutlich erschwert. Dem beweispflichtigen Patienten wird letzten Endes die Möglichkeit genommen, sorgfaltswidrige und unsachgemäße Behandlungsschritte nachzuweisen und eine Haftung der Behandlungsseite durchzusetzen. Das ist die rechtliche Komponente einer unzutreffenden oder verzerrten ärztlichen Dokumentation.

Mindestens ebenso problematisch ist der medizinische Hintergrund einer unrichtigen ärztlichen Dokumentation: Durch fehlerhafte Einträge in der Krankengeschichte wird die weitere medizinische Behandlung zumindest verkompliziert. So könnte es etwa durchaus sein, dass der Grund für neu aufgetretene Beschwerden in einer – nicht dokumentierten – Sorgfaltswidrigkeit des Operateurs liegt. Wenn die Dokumentation nicht dem tatsächlichen Behandlungsverlauf entspricht, bleibt die Ursache der gesundheitlichen Probleme für den Patienten und auch für nachbehandelnde Ärzte schlechterdings im Verborgenen. Dieser Zustand ist aus mehrerlei Gründen sehr unbefriedigend.

Fehler mit System: Wenn mangelnde Fehlerkultur zum Risiko für Patient:innen wird

Es gibt viele mögliche Fehlerquellen. Ich denke da etwa an Missverständnisse im Schnittstellenbereich unterschiedlicher Abteilungen, Kommunikationsfehler, Unklarheiten über Verantwortlichkeiten, allgemeine Struktur- und Organisationsprobleme oder menschliches Versagen. Befasst man sich näher mit dem Thema, stellt man unweigerlich aber auch fest, dass der Ursprung allen Übels immer wieder in der nicht vorhandenen oder zumindest noch in Kinderschuhen steckenden Fehlerkultur im System ist.

Natürlich kann ich meine Behauptungen mit Beispielen aus meiner eigenen Erfahrung belegen, andernfalls ich derartige Aussagen nicht treffen würde. Ich bin übrigens auch bei weitem nicht der Einzige, der sich Gedanken über die ärztliche Fehlerkultur macht, es gibt jede Menge lesenswerte Literatur dazu. Möglicherweise werde ich meine Gedanken zum Thema Fehlerkultur diesem Thema weiter vertiefen und einen Text dazu verfassen.

Die Patientensicherheit ist gewissermaßen das Pendant zur ärztlichen Fehlerkultur. Da gibt es mit der Plattform Patient:innensicherheit eine Initiative, die mit ihren Themen, Ansätzen und Ideen durchaus zu einer Erhöhung der Sicherheit von Patienten beitragen kann.

Zur Klarstellung möchte ich an dieser Stelle festhalten, dass unser Gesundheitssystem größtenteils sehr gut funktioniert. Es liegt mir weiters fern, alle Ärzte in einen Topf zu schmeißen oder der kompletten Ärzteschaft Boshaftigkeit oder gar strafrechtlich relevantes Handeln zu unterstellen. Ich nehme mir aber heraus, aus meinen Erfahrungen Schlüsse zu ziehen und gegebenenfalls den Finger in die Wunde zu legen. Wer nicht akzeptiert, dass Ärzte auch nur Menschen sind und wir Menschen Fehler machen, ist ohnehin auf dem Holzweg.

Grundsatz der Waffengleichheit                  

Justitia

In einem Zivilprozess müssen beiden Prozessparteien gleichwertige Möglichkeiten in der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung zur Verfügung stehen. Dieser Grundsatz gilt auch in Arzthaftungssachen und ist formal und theoretisch gegeben. Rein faktisch besteht aber schon alleine deshalb eine Ungleichheit, weil die Patienten in aller Regel medizinische Laien sind. Ganz anders als die Prozessgegner. In Verbindung mit den oben beschriebenen beweisrechtlichen Problemen stellt das die (schiefe) Ausgangsposition für geschädigte Patienten dar.

In einem Arzthaftungsprozess sehe ich es als meine Aufgabe an, den bestehenden, enormen Wissensvorsprung, den Mediziner im Vergleich zu Nicht-Medizinern nun einmal haben, möglichst zu verkleinern. Dadurch will ich meine Mandanten in eine Lage versetzen, ihre Ansprüche in einem möglichst fairen Prozess prüfen zu lassen und dadurch die Chancen auf eine positive Prozesserledigung zu erhöhen. Das Gefühl des Ausgeliefertseins beenden. Den vermeintlich Kleinen oder Schwachen beistehen. Ihnen aber auch erklären, dass ein ausbleibender Behandlungserfolg nicht automatisch ein vorwerfbares ärztliches Fehlverhalten bedeutet.

Gelingt es mir, Prozesse für meine Mandanten erfolgreich abzuschließen, dann ist die Verbindung von Recht und Medizin nicht nur spannende Leidenschaft. Dann macht sie auch noch Spaß.

Patrick Beichl

Foto: Michael Kreyer


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