Schadenersatz nach Behandlungsfehlern - Patrick Beichl | Medizinrecht-Blog

Schadenersatz nach Behandlungsfehlern

Ein medizinischer Fehler, fehlende Aufklärung oder andere Versäumnisse können schwerwiegende Folgen haben. Doch welche Ansprüche stehen geschädigten Patient:innen überhaupt zu?

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Behandlungsfehler Schadenersatz Beichl

Erleidet ein Patient einen Schaden durch einen Behandlungsfehler, eine unzureichende Aufklärung oder sonstige Versäumnisse (wie etwa organisatorische Pannen), stellt sich in weiterer Folge die Frage, welche Ansprüche der geschädigte Patient geltend machen kann. Mit anderen Worten: Was steht geschädigten Patienten überhaupt zu? Grundsätzlich soll der Schadenersatz einen eingetretenen Nachteil ausgleichen. Im medizinrechtlichen Kontext läuft diese Prämisse in aller Regel auf eine finanzielle Wiedergutmachung hinaus.

Liegen die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen vor, können je nach Art und Schwere des Schadens unterschiedliche Ansprüche beim Schädiger geltend gemacht werden. In Betracht kommen etwa folgende Schadenersatzpositionen:

Schmerzengeld

Das Schmerzengeld stellt eine Genugtuung für all jenes Ungemach dar, das der Geschädigte infolge der Verletzung zu erdulden hatte. Die Höhe des Schmerzengeldes steht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Schwere der Verletzung und hängt vor allem von der Intensität und der Dauer der Schmerzen ab. Dabei geht es nicht nur um die körperlichen Schmerzen, sondern ist insbesondere auch auf die seelische Belastung Bedacht zu nehmen.

Das ist naturgemäß kein Wunschkonzert, sondern obliegt es den Gerichten, eine bestimmte Summe an Schmerzengeld für angemessen zu erachten. Ausführungen von medizinischen Sachverständigen spielen eine bedeutende Rolle: Es ist Aufgabe der beigezogenen Mediziner, die Schmerzen gewissermaßen zu objektivieren. Sie haben einzuschätzen, wie lange der Verletzte an Schmerzen gelitten hat (oder noch leiden wird) und müssen sich auch zur Intensität der Schmerzen äußern. Schmerzen werden in 3 Kategorien eingeteilt: leichte, mittlere und starke Schmerzen. Dafür werden unterschiedliche Schmerzengeldsätze herangezogen, welche als Orientierungs- bzw. Bemessungshilfe für die Ausmittlung der Entschädigung dienen. [1]

In aller Regel ist das Schmerzengeld umso höher zu bemessen, je schwerer die Verletzung ist, je intensiver die Schmerzen sind, je länger die gesundheitliche Beeinträchtigung besteht und je übler die Folgen sind. Zu berücksichtigen sind auch die Schmerzen, die in der Zukunft (wahrscheinlich) eintreten werden. Bei diesen möglichen Dauerschäden spielt auch das Lebensalter des Geschädigten eine Rolle. Bei der Ausmittlung des Schmerzengeldes muss zudem auf bisherige Entscheidungen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung Bedacht genommen werden.

Grundsätzlich ist das Schmerzengeld nach freier richterlicher Überzeugung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls für alles Ungemach, das der Verletzte bereits erdulden musste und voraussichtlich noch zu erdulden haben wird, einmalig und abschließend festzusetzen (sog. Globalbemessung).

Der bislang höchste Zuspruch an Schmerzengeld belief sich zuletzt übrigens auf EUR 350.000,-. Für meine Mandantin konnte ich beim OGH vor Jahren nach einem folgenschweren Narkosezwischenfall einen Betrag in der Höhe von EUR 180.000,- erwirken (1 Ob 31/20w). Das war damals angesichts des doch schon fortgeschrittenen Alters meiner Mandantin ein durchaus beachtlicher Zuspruch.

Verunstaltungsentschädigung

Besteht durch eine (fehlerbdingte) Verunstaltung die bloße Möglichkeit der Behinderung des besseren Fortkommens des Geschädigten, kann eine Verunstaltungsentschädigung zuerkannt werden. Handelt es sich beim Verletzten um eine unverheiratete Person, so kann eine Verunstaltungsentschädigung auch dann zugesprochen werden, wenn die Heiratsaussichten durch die Verunstaltung erschwert werden.

Bei der Verunstaltung handelt es sich um eine Beeinträchtigung des äußeren Aussehens nach allgemeinen ästhetischen Maßstäben. Verunstaltungen sind etwa ein hinkender Gang, Narbenbildungen, (teilweiser) Verlust des Seh- oder Hörvermögens oder amputierte Gliedmaßen. Die Höhe hängt vom Ausmaß der Verunstaltung ab und wird letztlich vom Gericht festgelegt. Soweit ersichtlich, beläuft sich der bisherige Höchstzuspruch auf EUR 50.000,-.

Verdienstentgang

Steht fest, dass der Geschädigte ohne die (vermeidbaren) ärztlichen Fehlleistungen einen höheren Verdienst gehabt hätte, kann er vom Schädiger einen Ersatz für den Verdienstausfall fordern. Die Höhe des Schadens ist gerade bei Selbstständigen nicht immer leicht zu berechnen. Es lohnt sich, mit etwas Kreativität an die Sache heranzugehen. Als Rechtsvertreter muss auf die drohende Verjährung von Ansprüchen besonders Bedacht genommen werden.

Unterhaltsansprüche

Hinterbliebene haben grundsätzlich Anspruch auf Ersatz aller Leistungen, die ihm der Getötete zu Lebzeiten tatsächlich erbracht hat. Der Anspruch auf entgangenen Unterhalt steht hier an vorderster Stelle. Zu denken ist aber auch an den Anspruch des hinterbliebenen Ehegatten auf Beistand durch den verstorbenen Ehegatten in der Haushaltsführung oder an Ersatzansprüche der Kinder in Form entgangener Pflegeleistungen.

Im Übrigen haftet der Schädiger beim Tod des Patienten auch für Begräbniskosten, wobei darunter auch Kosten für Trauerkleidung, Grabstätte, Todesanzeige oder Totenmahl fallen.

Heilungs- und Pflegekosten

Unter Heilungskosten sind sämtliche Kosten zu verstehen, die zur Genesung, also zur Wiederherstellung der Gesundheit, beitragen. Ohne die Verletzung (durch die fehlerhafte Behandlung) wären diese Kosten nicht entstanden. Ziel derartiger Aufwendungen ist die Beseitigung oder die Verbesserung der durch den Behandlungsfehler eingetretenen Beschwerdesymptomatik. Vom Schädiger sind all jene Kosten zu ersetzen, die zur Heilung beitragen können.

Zu Heilungskosten zählen etwa Ausgaben für Medikamente, Heilbehelfe, Therapien, Akkupunkturen oder Fahrtkosten. Unter Umständen sind aber auch Honorare für Privatärzte oder kosmetische Operationen vom Schädiger zu ersetzen. Dienen künftige Heilbehandlungen der Schadensbehebung, hat der Geschädigte allenfalls auch einen Anspruch auf einen entsprechenden Vorschuss. Weil Besuche von Familienangehörigen des Verletzten während eines stationären Aufenthaltes auch zum Heilungserfolg beitragen können, werden auch damit in Zusammenhang stehende Besuchskosten ersetzt.

Ist die geschädigte Person (außerhalb der stationären Observanz) auf persönliche Betreuungsmaßnahmen durch Dritte angewiesen [2], besteht ein Anspruch auf Ersatz dieser Pflegekosten. Die tatsächlich angefallenen Kosten einer Pflegeperson sind dem Geschädigten zu ersetzen. Der Geschädigte hat aber auch dann Anspruch auf Pflegekosten, wenn er auf Pflegemaßnahmen angewiesen war, er für diese Unterstützungsleistungen aber nichts bezahlen musste – z.B. weil diese Leistungen von Dritten freiwillig erbracht wurden. Der Geschädigte kann bei dieser Konstellation einen Ersatz für die Vermehrung der Bedürfnisse ansprechen. Nach der Rechtsprechung des LG Feldkirch ist im Zusammenhang mit diesen freiwilligen Leistungen übrigens ein Betrag in der Höhe von cirka EUR 20,- pro Stunde angemessen.

Verstirbt ein Patient, haben bestimmte nahe Angehörige unter gewissen Voraussetzungen zudem die Möglichkeit, vom Schädiger Trauerschmerzengeld zu fordern. 

Haushaltsführungs-/Dienstleistungsschaden

Ist es dem Geschädigten infolge der fehlerbedingten Verletzung nicht möglich, seinen Haushalt in gewohnter Manier zu führen, steht ihm auch dafür ein Ersatz der Kosten einer Haushaltshilfe zu. Der Anspruch besteht wiederum unabhängig davon, ob der Geschädigte eine Haushaltshilfe tatsächlich bezahlen musste oder er freiwillige Unterstützung erhielt. Oft ist es so, dass die Hausarbeit des Verletzten von Familienmitgliedern übernommen wird. Selbst wenn der Geschädigte die Hausarbeit unter Mehraufwand von Zeit und Mühe selbst verrichtet, kann er Ersatz verlangen. Das LG Feldkirch sieht auch hier einen Stundensatz in der Höhe von etwa EUR 20,- als angemessen an.

Vermehrte Bedürfnisse

Unter vermehrten Bedürfnissen sind alle Aufwendungen zu verstehen, die unmittelbar auf den Behandlungsfehler bzw. deren Folgen zurückzuführen sind und jene Nachteile ausgleichen sollen, die dem Verletzten bei richtiger Behandlung nicht entstanden wären. Diese Position dient gleichsam als Auffangbecken für Ansprüche, die in keine der oben genannten Kategorien fallen.

Ist der Geschädigte aufgrund der nachteiligen Folgen der fehlerhaften Behandlung beispielsweise so massiv in seiner Bewegung eingeschränkt, dass er seinen Pkw mit Schaltgetriebe nicht mehr lenken kann, so stehen ihm unter gewissen Voraussetzungen die Anschaffungskosten für ein Pkw mit Automatikgetriebe zu. Der Schädiger muss aber etwa auch für die Mehrkosten des (notwendigen) Ausbaus einer behindertengerechten Wohnung tragen.

Zukünftige Schäden

Falls durch die Fehlbehandlung ein Schaden eingetreten ist, der noch nicht abschließend beurteilt werden kann, kann dies separat geltend gemacht werden (sog. Feststellungsklage bzw. -begehren). Daran muss etwa immer dann gedacht werden, wenn die Verletzungsfolgen noch nicht gänzlich abgeklungen sind, weitere Behandlungen notwendig sind, dauernde Schäden bestehen oder Spätfolgen eintreten könnten.

Patrick Beichl


Quellen:

  • [1] Zu den Schmerzengeldsätzen (Stand 02/2024): https://www.rakwien.at/userfiles/file/Schmerzengeldsaetze%20Oesterreich.pdf
  • [2] Insbes. Unterstützung bei der Nahrungs-/Flüssigkeitsaufnahme, bei der Körperpflege, beim An- und Auskleiden, beim Verbandswechsel oder auch betreffend Mobilitätshilfe

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